51-65.03.1 Minor Discourses und Religion – Postkolonialität, Gewaltlosigkeit und Geschlecht von Mahatma Gandhi zu Leela Gandhi

Veranstaltungsdetails

Lehrende: Prof. Dr. Ulrike Auga

Veranstaltungsart: Hauptseminar

Anzeige im Stundenplan: Minor Discourses

Semesterwochenstunden: 2

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 35

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Die postkoloniale Theorie ist keine große Theorie, sie ist eine unvollkommene Perspektive, die unbestimmt, unvollendet und peripatetisch bleibt, um koloniale Verwerfungen aufzudecken, – so Leela Gandhi – Urenkelin des Freiheitskämpfers Mahatma Gandhi, die zu den avancierten Stimmen gegenwärtiger postkolonialer Theorie gehört. Für einige Teile post- und dekolonialer Kritik ist die Aufnahme von Religion und Spiritualität schwierig – nicht so bei M. und L. Gandhi. Daher ist die Beschäftigung mit dem Werk dieser beiden Persönlichkeiten eine spannende Möglichkeit, Grundlagen postkolonialer Theorie im Kontext von Religionsforschung zu studieren.
Mahatma Gandhi war ein „Sannyasi“, der nicht an soziale Gepflogenheiten gebunden war. Er war weder ein ‚typischer‘ Politiker noch eine religiöse Zentralfigur: Er integrierte politische Diskurse in einen religiösen Rahmen und setzte die asketischen Disziplinen konsequent als Mittel ein, um die sozialen und politischen Probleme Indiens zu thematisieren. M. Gandhis Ansichten zur Sexualität entwickelten sich im Laufe seines Engagements erheblich und waren eindeutig mit seiner politischen Philosophie verbunden. Nachdem er durch den Aufenthalt in England und die hinduistischen Denkschulen sowie insbesondere von Shrimad Rajchandra beeinflusst worden war und Werke von Tolstoi, Ruskin, Bureau und Hare rezipiert hatte, begann er, die Wirksamkeit und Macht des Zölibats einzusetzen. M. Gandhi bezog zunächst seine sexuellen und politischen Ideologien aufeinander, indem er das Brahmacharya-Gelübde mit dem Satyagraha-Gelübde und der Satyagraha-Kampagne verknüpfte, sodass seine Ansichten im Hinblick auf Sexualität eng mit dem Glauben an Ahimsa (Gewaltlosigkeit) und Satyagraha (militante Gewaltlosigkeit) verbunden waren.
Leela Gandhi entwickelt eine herausragende Ethik aus der Praxis des Dissidentischen – der minor, nicht-gewaltvollen Gegendiskurse und Praxen. Dabei würdigt sie die Bedeutung von Spiritualität und beschreitet einen eigen postsäkularen Weg. Ihre Arbeit wird von einem Interesse an den sich überschneidenden Hinterlassenschaften kolonialer Begegnungen angetrieben, insbesondere von transnationalen Traditionen antiimperialer Ethik. Ihr bahnbrechendes Buch „Postcolonial Theory“ (1998, Neuauflage 2019) beschreibt die Veränderungen in der Philosophie, die durch die Begegnung zwischen dem ‚Westen‘ und dem ‚Nicht-Westen‘ entstanden sind. Im Werk „Affective Communities“ (2006) untersucht sie die bedeutende Rolle der Freundschaft zwischen ‚westlichen‘ und ‚nicht-westlichen‘ Dissident*innen bei der Entstehung antikolonialer Politik. Ihr darauffolgendes Buch „The Common Cause: Postcolonial Ethics and the Practice of Democracy, 1900-1955“ (2014) befasst sich mit dem Konzept der moralischen Unvollkommenheit, das vielen globalen und gegenkulturellen Traditionen der Demokratie zugrunde liegt, und entprovinzialisiert die Geschichte der Demokratie.
Innovativ fordert L. Gandhi, postkoloniale Theorie müsse im Sinne M. Gandhis auf Nicht-Gewalt ausgerichtet sein und noch stärker zeigen, wer in der Geschichtsschreibung nicht vorkommt. Im Kontext des Tierschutzes, führt L. Gandhi das Werk von Donna Haraway mit dem Denken von M. Gandhi zusammen und bringt neue Perspektiven in die zeitgenössischen Debatten über die Rolle der Religion im modernen politischen Leben ein. Als zentrales Thema schlägt L. Gandhi vor, den Begriff „minor“ zu überdenken – als deterritorialisierte Diskurse und Assemblage.
Voraussetzung zur Teilnahme am Seminar ist die Bereitschaft, englischsprachige Texte zu lesen und vorzustellen.

Literatur:
Auga, Ulrike E., „Wissenschaftliche Konstruktionen des Hinduismus, des Buddhismus und der Weltreligionen. Ein Beitrag zur Dekolonisierung und Desidentifizierung der Religionswissenschaft“, in: Jäger, Sarah, (Hg.) Kampf der Kulturen, 2022, 1-15 (im Druck).
Becke, Andreas, Gandhi zur Einführung, 1999.
Bose, Priyanka, “Gandhi and sexuality: In what ways and to what extent was Gandhi’s life dominated by his views on sex and sexuality?”, in: The South Asianist, 3(1) 2014, 137-177.
http://www.southasianist.ed.ac.uk/issue/view/91
Fischer, Louis, Das Leben des Mahatma Gandhi, 1951.
Gandhi, Leela, Postcolonial Theory. A Critical Introduction, 2019 (1998).
Gandhi, Leela, „Introduction: Moral Imperfection: An Ethics for Democracy”, in: Gandhi, Leela, The Common Cause. Postcolonial Ethics and the Practice of Democracy, 1900-1955, 2014, 1-28.
Gandhi, Leela, Affective Communities, Anticolonial Thought, Fin-de-Siècle Radicalism, and the Politics of Friendship, 2006.
Gandhi, Leela, Measures of Home, 2000.
Gandhi, Mahatma, The Collected Works of Mahatma Gandhi, New Delhi: Publications Division Government of India, 1999.
Gandhi, Mahatma, An Autobiography or the Story of My Experiments with Truth, 2007.
Gandhi, Mahatma, Eine Autobiographie oder Die Geschichte mit der Wahrheit, 2016 (unveränderte Auflage von 1977).
Howard, Veena R., “Rethinking Gandhi’s Celibacy: Ascetic Power and Women’s Empowerment”, in: Journal of the American Academy of Religion 81, 1/2013, 130-161.
Howard, Veena R., Gandhi’s Ascetic Activism. Renunciation and Social Action, 2013.
King, Richard, Orientalism and Religion. Postcolonial Theory, India and ‘The Mystic East’, 1999.
Lal, Vinay, “The Sexuality of a Celibate Life”, in: UCLA Social Sciences MANAS/ The Asian Age, 01.05.2011. https://southasia.ucla.edu/history-politics/gandhi/gandhis-sexuality-society/
Lal, Vinay, “Nakedness, Nonviolence, and Brahmacharya: Ghandi’s Experiments in Celibate Sexuality”, in: Boisvert, Donald L.; Daniel-Hughes, Carly (Hgs.), The Bloomsbury Reader in Religion, Sexuality, and Gender, 2016, 249-259.

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende
1 Di, 4. Apr. 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
2 Di, 11. Apr. 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
3 Di, 18. Apr. 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
4 Di, 25. Apr. 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
5 Di, 2. Mai 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
6 Di, 9. Mai 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
7 Di, 23. Mai 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
8 Di, 30. Mai 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
9 Di, 6. Jun. 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
10 Di, 13. Jun. 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
11 Di, 20. Jun. 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
12 Di, 27. Jun. 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
13 Di, 4. Jul. 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
14 Di, 11. Jul. 2023 16:15 17:45 GFW7 - A2021 Prof. Dr. Ulrike Auga
Prüfungen im Rahmen von Modulen
Modul (Startsemester)/ Kurs Leistungs­kombination Prüfung Datum Lehrende Bestehens­pflicht
EvRLAPS-ME2 Schwerpunkt Christentum und Religionen (WiSe 12/13) / MÖR_HS  Minor Discourses und Religion – Postkolonialität, Gewaltlosigkeit und Geschlecht von Mahatma Gandhi zu Leela Gandhi Hausarbeit 22  Hausarbeit ohne Termin Prof. Dr. Ulrike Auga Ja
EvT-4 MÖR Zentrale Themen der Missions-, Ökumene- u. Religionswissenschaften (WiSe 19/20) / MÖR_HS  Minor Discourses und Religion – Postkolonialität, Gewaltlosigkeit und Geschlecht von Mahatma Gandhi zu Leela Gandhi Referat 8  Referat k.Terminbuchung Prof. Dr. Ulrike Auga Ja
EvT-5 MÖR Missions-, Ökumene- u. Religionswissenschaften im Rahmen des wissenschaftlichen Diskurses (WiSe 14/15) / MÖR_HS  Minor Discourses und Religion – Postkolonialität, Gewaltlosigkeit und Geschlecht von Mahatma Gandhi zu Leela Gandhi Hausarbeit (Erster Termin) 18  Hausarbeit (Erster Termin) ohne Termin Prof. Dr. Ulrike Auga Ja
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