52-233 Büchners „Dantons Tod“ auf dem Theater der Moderne (T/M) [IfG 221] [IfG 241] [IfG 242] [IfG 243] [IfG 244] [DSL/DE-A-NdL] [DSL/DE-A-DSL] [SLM-WB] [Master-WB] [MuK-A02]

Lehrende: Prof. Dr. Martin Jörg Schäfer

Veranstaltungsart: Seminar Ib

Anzeige im Stundenplan: „Dantons Tod"

Semesterwochenstunden: 2

Credits: 3,0

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 20

Weitere Informationen:
(T/M) [ifg 221] [ifg 241] [ifg 242] [ifg 243] [ifg 244] [/dslde-a-ndl] [/dslde-a-dsl] [slm-wb] [master-wb] [muk-a02] (Wahlzeit)

Die Angabe der Credits (3,0 bzw. 2,0) bezieht sich auf die Anzahl der zu erwerbenden Leistungspunkte beim Besuch der Veranstaltung im Wahl-/Optionalbereich.

Hinweis zur Teilnahme:
Studierende, die die erste Seminarsitzung unentschuldigt versäumen, werden nach der ersten Vorlesungswoche von der Veranstaltung abgemeldet. Auf diese Weise stehen dadurch frei werdende Seminarplätze interessierten Studierenden während der Ummelde- und Korrekturphase sicher zur Verfügung.

Bitte beachten Sie, dass Lehrende keinen Einfluss auf die Platzvergabe in den Veranstaltungen haben; die Platzvergabe erfolgt nach dem Schließen der Listen automatisch über STiNE.
Weitere Hinweise finden Sie unter folgendem Link, der in jedem Semester aktualisiert wird:

https://www.slm.uni-hamburg.de/germanistik/studium/downloads.html#18061577

Kommentare/ Inhalte:
Georg Büchners Drama "Danton’s Tod" (das im Original von 1835 tatsächlich das inzwischen orthographisch falsche Apostroph hatte) ist sicherlich einer der faszinierendsten Texte deutschsprachiger Literatur. Einerseits deutet das in den Wirren der Französischen Revolution von 1794 spielende Stück auf naturalistische und radikalrealistische Ästhetiken voraus, andererseits auch auf ganz anders gelagerte moderne und postmoderne Montagepoetiken. Über Jahrzehnte nach seinem Entstehen wurde der Text als "unspielbar" eingeschätzt: Neben Büchners für die Zeit ungewöhnlicher Sprache erschienen auch die schnellen Szenenwechsel kombiniert mit den zahlreichen, aber oft kurzen Auftritten größerer Menschenaufläufe als nicht bühnenfähig.
Erst die modernen Theateravantgarden Anfang des frühen 20. Jahrhunderts, die das Theater von seiner Sprachzentriertheit befreien, sich stärker symbolischen wie körperlichen Theatermitteln zuwenden sowie Licht und Raum in ihrer Eigendynamik hervorkehren, entdecken das Stück für die Bühne. Berühmtheit hat Max Reinhardts Berliner Produktion von 1916 erlangt. Deren Ästhetik lässt sich in weiten Teilen anhand von Reinhardts Notizen und Zeichnungen rekonstruieren, die in einem sogenannten "Regiebuch" erhalten sind. Wenig bekannt ist hingegen, dass ein Protagonist des modernen Theaters der 1920er, Leopold Jessner, in seiner frühen Hamburger Zeit (1904-1915) "Dantons Tod" am hiesigen Thalia Theater inszenierte. Ein entsprechendes "Inspizierbuch" mit den Anweisungen für die Bühnenanordnungen und technischen Abläufe lässt sich in der Stabi einsehen und ist weitgehend unerforscht.
Bei Regiebuch und Inspizierbuch handelt es sich um Frakturdrucke, in die in der Handschrift Kurrent Einträge vorgenommen wurden. Kenntnisse werden nicht vorausgesetzt. Lust an Entzifferungsarbeit ist aber bitte mitzubringen.

Lernziel:
1) Wir machen uns mit den Eigenarten eines der wichtigsten Texte der deutschsprachigen Literatur vertraut und vergleichen seinen Entstehungskontext im "Vormärz" mit seinem Rezeptionskontext in der "künstlerischen Moderne" Anfang des 20. Jahrhunderts.
2) Wir stellen beispielhaft die Frage nach dem Verhältnis eines Dramas zu unterschiedlichen historischen Theaterästhetiken: Warum gilt ein Text zu einem bestimmten Zeitpunkt als "unspielbar", zu einem späteren als höchst theatral?
3) Wir lernen das moderne Regiebuch als ein Medium kennen, aus dem sich Aspekte vergangener Theaterereignisse rekonstruieren lassen. Welche Erkenntnisse erlangen wir; was bleibt im Dunkeln?

Vorgehen:
Nach einer genauen Detaillektüre von "Dantons Tod" beschäftigen wir uns eingehend mit den beiden Textbüchern: Max Reinhardts Regiebuch liegt in einer kommentierten digitalen Ausgabe vor. Mit dem Inspizierbuch zur Jessner-Produktion wollen wir uns auch in seiner Materialität vor Ort in der Stabi beschäftigen. Da das Stück derzeit nicht auf den Spielplänen der Hamburger Theater steht, werden wir uns voraussichtlich anhand der aktuellen Schauspielhausproduktion von Büchners "Woyzeck" einen grundsätzlichen Eindruck von Büchners Sprache auf der Bühne machen.

Literatur:
Zur Anschaffung empfohlen: Georg Büchner, Sämtliche Werke, Briefe und Dokumente in zwei Bänden. Band I. Dichtungen. Bibliothek Deutscher Klassik 84. Frankfurt a.M. 1992;
Hintergrund: Martin Schneider (Hrsg.), Das Regiebuch. Zur Lesbarkeit theatraler Produktionsprozesse in Geschichte und Gegenwart. Göttingen 2021.