45-603 Seminar FD Biologie: Die Konstruktion von Körper und Geschlecht in Biologie und Gesellschaft - Perspektiven künstlerischer und naturwissenschaftlicher Forschung

Veranstaltungsdetails

Lehrende: Dr. Britta Lübke; Patricia Carolin Mai

Veranstaltungsart: Seminar

Anzeige im Stundenplan: 001q1

Semesterwochenstunden: 3

Credits: 3,0

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 30

Kommentare/ Inhalte:
Mit den überfachlichen Aufgaben der Sexualbildung sowie Gesundheitsbildung – die häufig dem Biologieunterricht zugeordnet werden – sind der menschliche Körper sowie sein Geschlecht explizite Themen von Bildungsinstitutionen. Dabei geht es neben dem biologischen Fachwissen immer auch um die Auseinandersetzung mit den unserer Gesellschaft zugrunde liegenden bzw. in ihr verhandelten Werten und Normen. So werden ausgehend von der Konstruktion einer binären Geschlechterordnung diverse Bilder und Zuschreibungen hinsichtlich Verhalten und Körperlichkeit verknüpft. Eine aktuell in verschiedenen Kontexten immer wieder kritisch diskutierte Norm ist in diesem Kontext die der Heteronormativität. Ausgehend von einer binären Geschlechterordnung wird dabei Heterosexualität als gesellschaftliche Norm gesetzt. Um auch Geschlechteridentitäten jenseits heteronormer Zuschreibungen denk- und darstellbar zu machen und um auf die soziale Konstruktion von Geschlecht zu verweisen, wird häufig neben das sogenannte biologische Geschlecht (sex) das soziale Geschlecht (gender) gestellt (vgl. z. B. für die Biologiedidaktik Etschenberg 2013, S. 158).

Aktuelle Ansätze weisen jedoch darauf hin, dass auch das durch die sex/gender-Unterscheidung als objektiv naturgegeben dargestellte biologische Geschlecht ein durch die Naturwissenschaften konstruiertes ist (vgl. für einen Überblick über diese Diskussion z. B. Villa 2011). Der darin enthaltende Grundgedanke, dass Forscher*innen stets auch gesellschaftlich situiert sind, wird in der Fachdidaktik bereits seit vielen Jahren im Kontext von Nature of Science (NoS) als Unterrichtsgegenstand für den Biologieunterricht anerkannt (vgl. dazu z. B. die Gegenüberstellung verschiedener NoS-Ansätze durch Neumann & Kremer 2013, S. 215). Biologisches Wissen sei stets vorläufig und situiert. Es gelte daher im Biologieunterricht „auch die außerwissenschaftlichen Zusammenhänge zu berücksichtigen in denen die fachwissenschaftlichen Aussagen entstehen und für die sie formuliert werden“ (Langlet 2013, S. 96).

Dieses Seminar fragt erstens danach, wie Körper und Geschlecht aktuell in der Gesellschaft, in der Kunst sowie in der Fachwissenschaft Biologie und im Biologieunterricht konstruiert werden. Welche Zuschreibungen und Bilder sind in diesen Konstruktionen enthalten? Welche impliziten Botschaften werden beispielsweise in Schulbüchern, Zeitschriften, Filmen und Alltagssprache mittransportiert, wenn Menschen in ihrer Lebenswelt dargestellt werden? Ausgehend von der von Ulrich Kattmann (1988) für den Biologieunterricht konstatierten Gefahr einer „heimlichen Ethik“, sollen diese Bilder kritisch hinterfragt und vor dem Hintergrund verschiedener sozialwissenschaftlicher Theorien hinsichtlich ihrer Konsequenzen diskutiert werden.

Damit gerät zweitens immer wieder auch der Wissensbegriff der Naturwissenschaften selbst und damit der Unterrichtsgegenstand NoS in den Blick: Wie gelangen Naturwissenschaftler*innen zu ihren Erkenntnissen? Welche Einflüsse und Faktoren beeinflussen diese Prozesse? Wie objektiv und stabil bzw. wie subjektiv und in Veränderung begriffen ist das so generierte Wissen? Was unterscheidet das naturwissenschaftliche Wissen von anderen Wissensformen, wie beispielsweise den Künsten, die sich mit dem gleichen Gegenstand – hier Körper und Geschlecht – auseinandersetzen?

In diesem Seminar sollen Perspektiven der künstlerischen Forschung drittens als Möglichkeit dienen, sich noch einmal auf andere Art und Weise mit dem Thema auseinanderzusetzen sowie die Vorgehensweisen und Ergebnisse naturwissenschaftlicher Forschung zu reflektieren. Zudem ist Sexualbildung als genuin überfachliche Aufgabe formuliert (vgl. Etschenberg 2013, S. 160). Ausgehend von aktuellen Ansätzen zum fächerverbindenden Unterricht von Naturwissenschaften und darstellenden Künsten (vgl. Gebhard et al. 2019) soll in einem letzten Schritt auch das Potential einer solchen Verbindung für den Biologieunterricht und dessen Bildungsziele geprüft werden.

Dazu werden zwei Künstlerinnen Teile des Seminars mitgestalten: Choreografin und Tänzerin Patricia Carolin Mai, deren Solo KONTROL ausgehend von einem androgynen Körper gesellschaftliche Normen in Bezug auf Körper und deren Leistungsfähigkeit verhandelt sowie die Sängerin und Performerin Pauline Jacobs, die sich in ihren Stücken (z. B. Prächtiger Vogel Leierschwanz oder gemeinsam mit Lisa Florentine Schmalz in DEIN OXY) ausgehenden von biologischen Phänomenen wie dem Paarungsverhalten des Leierschwanzes oder dem Hormon Oxytocin u. a. mit dem Verhältnis von Natur und Kultur sowie der Rolle der Frau in der Gesellschaft auseinandersetzt. Zudem ist ein Vorstellungsbesuch von ANIMA (Alexander Schubert) auf Kampnagel geplant.

Neben Gesprächen mit den Künstlerinnen zu ihren Perspektiven auf den Seminargegenstand sowie ihrem allgemeinen Vorgehen bei Recherchen sowie bei der Stückentwicklungen, sollen in dem Seminar auch eigene kurze Praxiserprobungen der Teilnehmer*innen im Themenfeld künstlerischer Forschung realisiert werden.

Teilnehmer*innen dieses Seminars sollten folgendes mitbringen:

A. Die Bereitschaft, sich theoretisch und praktisch mit dem Thema Geschlecht und Körper auseinanderzusetzen. Dies beinhaltet eine vertiefte und kritische Auseinandersetzung mit anspruchsvollen und längeren Texten. Der rote Faden ergibt sich dabei durch die semesterbegleitende Lektüre und Diskussion des Buches „Sexy Bodies. Eine soziologische Reise durch den Geschlechtskörper“ von Paula-Irene Villa (über den Campuskatalog im Volltext verfügbar). Diese Lektüre wird um ausgewählte Texte aus der Fachdidaktik zum Thema Nature of Science, den Science Studies zum Wissensbegriff in den Naturwissenschaften und der Tanz- Kunst- bzw. Theaterwissenschaft zum Konzept der künstlerischen Forschung ergänzt.

B. Die Bereitschaft, sich gemeinsam mit anderen Seminarteilnehmer*innen auch mit ihren eigenen Vorstellungen von Körper und Geschlecht aus verschiedenen Perspektiven und mit den Mitteln künstlerischer Forschung auseinanderzusetzen.

C. Die Fähigkeit zu eigenverantwortlichem Arbeiten, die Bereitschaft offene Aufgaben und Kontroversen auszuhalten, eigene Positionen einzubringen und zur Disposition zu stellen, Neugier usw.

Studienleistungen: Aktive Teilnahme, seminarbegleitende Textarbeit (verbunden mit kleineren Aufgaben zur Ausgestaltung der Blocktage) sowie das Führen eines Prozessportfolios

Modulprüfung: Hausarbeit (7-10 Seiten)

Literatur:

Etschenberg, K. (2013). Sexualbildung. In H. Gropengießer, U. Harms & U. Kattmann (Hrsg.), Fachdidaktik Biologie (S. 157-168). Hallbergmoos: Aulis.

Gebhard, U., Lübke, B., Ohlhoff, D., Pfeiffer, M., & Sting, W. (2019). Performatives Arbeiten im Fachunterricht. Theoretisch-konzeptionelle Überlegungen am Beispiel des Biologie- und Theaterunterrichts. In U. Gebhard, B. Lübke, D. Ohlhoff, M. Pfeiffer & W. Sting (Hrsg.), Natur – Wissenschaft – Theater. Performatives Arbeiten im Fachunterricht (S. 9-30). Weinheim: Beltz Juventa.

Kattmann, U. (1988). Heimliche Ethik. Mitteilungen des Verbandes Deutscher Biologie, 5,1612–1614.

Langlet, J. (2013). Kultur der Naturwissenschaften. In H. Gropengießer, U. Harms & U. Kattmann (Hrsg.), Fachdidaktik Biologie (S. 80-97). Hallbergmoos: Aulis.

Neumann, I. & Kremer, K. (2013). Nature of Science und epistemologische Überzeugungen – Ähnlichkeiten und Unterschiede. Zeitschrift der Didaktik der Naturwissenschaften, 19, 209-232.

Villa, I.-P. (2011). Sexy Bodies. Eine soziologische Reise durch den Geschlechtskörper. Wiesbaden: Springer.

Termine
Datum Von Bis Raum Lehrende
1 Fr, 21. Okt. 2022 17:00 20:00 VMP 8 R 05 (Bis auf Weiteres gesperrt!!) Dr. Britta Lübke; Patricia Carolin Mai
2 Fr, 21. Okt. 2022 20:00 22:00 Theaterbesuch Kampnagel Dr. Britta Lübke; Patricia Carolin Mai
3 Fr, 11. Nov. 2022 17:00 20:00 VMP 8 R 020 Dr. Britta Lübke; Patricia Carolin Mai
4 Sa, 12. Nov. 2022 10:00 16:00 VMP 8 R 05 (Bis auf Weiteres gesperrt!!) Dr. Britta Lübke; Patricia Carolin Mai
5 Fr, 9. Dez. 2022 17:00 20:00 VMP 8 R 020 Dr. Britta Lübke; Patricia Carolin Mai
6 Sa, 10. Dez. 2022 10:00 16:00 VMP 8 R 020 Dr. Britta Lübke; Patricia Carolin Mai
7 Do, 23. Feb. 2023 12:00 18:00 VMP 8 R 05 (Bis auf Weiteres gesperrt!!) Dr. Britta Lübke; Patricia Carolin Mai
8 Fr, 24. Feb. 2023 10:00 16:00 VMP 8 R 05 (Bis auf Weiteres gesperrt!!) Dr. Britta Lübke; Patricia Carolin Mai
Prüfungen im Rahmen von Modulen
Modul (Startsemester)/ Kurs Leistungs­kombination Prüfung Datum Lehrende Bestehens­pflicht
001q Weiterführung der Fachdidaktik Biologie (WiSe 17/18) / 001q1  Seminar FD Biologie: Die Konstruktion von Körper und Geschlecht in Biologie und Gesellschaft - Perspektiven künstlerischer und naturwissenschaftlicher Forschung * Hausarbeit 6  Hausarbeit ohne Termin Patricia Carolin Mai; Dr. Britta Lübke Ja
Klausur 6  Klausur k.Terminbuchung N.N. Ja
Mündliche Prüfung 6  Mündliche Prüfung ohne Termin N.N. Ja
001q Weiterführung der Fachdidaktik Biologie (WiSe 19/20) / 001q1  Seminar FD Biologie: Die Konstruktion von Körper und Geschlecht in Biologie und Gesellschaft - Perspektiven künstlerischer und naturwissenschaftlicher Forschung * Hausarbeit/ Mdl. Prüfung 5  Hausarbeit/ Mdl. Prüfung k.Terminbuchung Dr. Britta Lübke; Patricia Carolin Mai Ja
Klausur 5  Klausur k.Terminbuchung N.N. Ja
001q Weiterführung der Fachdidaktik Biologie (WiSe 22/23) / 001q1  Seminar FD Biologie: Die Konstruktion von Körper und Geschlecht in Biologie und Gesellschaft - Perspektiven künstlerischer und naturwissenschaftlicher Forschung Hausarbeit (7-10 Seiten)/mündl. Prüfung (15-30 Minuten)/Klausur (60-90 Minuten) 1  Hausarbeit (7-10 Seiten)/mündl. Prüfung (15-30 Minuten)/Klausur (60-90 Minuten) k.Terminbuchung Patricia Carolin Mai; Dr. Britta Lübke Ja
001q Weiterführung der Fachdidaktik Biologie (WiSe 21/22) / 001q1  Seminar FD Biologie: Die Konstruktion von Körper und Geschlecht in Biologie und Gesellschaft - Perspektiven künstlerischer und naturwissenschaftlicher Forschung Hausarbeit (7-10 Seiten)/mündl. Prüfung (15-30 Minuten)/Klausur (60-90 Minuten) 2  Hausarbeit (7-10 Seiten)/mündl. Prüfung (15-30 Minuten)/Klausur (60-90 Minuten) k.Terminbuchung Patricia Carolin Mai; Dr. Britta Lübke Ja
3  Hausarbeit (7-10 Seiten)/mündl. Prüfung (15-30 Minuten)/Klausur (60-90 Minuten) k.Terminbuchung Patricia Carolin Mai; Dr. Britta Lübke Ja
001q Weiterführung der Fachdidaktik Biologie (SoSe 21) / 001q1  Seminar FD Biologie: Die Konstruktion von Körper und Geschlecht in Biologie und Gesellschaft - Perspektiven künstlerischer und naturwissenschaftlicher Forschung Hausarbeit (7-10 Seiten)/mündl. Prüfung (15-30 Minuten)/Klausur (60-90 Minuten) 3  Hausarbeit (7-10 Seiten)/mündl. Prüfung (15-30 Minuten)/Klausur (60-90 Minuten) k.Terminbuchung Patricia Carolin Mai; Dr. Britta Lübke Ja
001q Weiterführung der Fachdidaktik Biologie (WiSe 20/21) / 001q1  Seminar FD Biologie: Die Konstruktion von Körper und Geschlecht in Biologie und Gesellschaft - Perspektiven künstlerischer und naturwissenschaftlicher Forschung Hausarbeit (7-10 Seiten)/mündl. Prüfung (15-30 Minuten)/Klausur (60-90 Minuten) 4  Hausarbeit (7-10 Seiten)/mündl. Prüfung (15-30 Minuten)/Klausur (60-90 Minuten) k.Terminbuchung Dr. Britta Lübke; Patricia Carolin Mai Ja
Veranstaltungseigene Prüfungen
Beschreibung Datum Lehrende Pflicht
1. Studienleistung Studium Generale/Master Wahlbereich k.Terminbuchung Ja
Legende
* Zu dieser Veranstaltung gibt es mehrere Kombinationen von Leistungen. Ob Sie eine oder mehrere dieser Leistungskombinationen absolvieren müssen, ist durch Bestehensregeln festgelegt. Diese können Sie in den Moduldetails einsehen.
Übersicht der Kurstermine
  • 1
  • 2
  • 3
  • 4
  • 5
  • 6
  • 7
  • 8
Lehrende
Dr. Britta Lübke
Patricia Carolin Mai