52-172 Staunen und Neugier in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit [DSL/DE-V-ÄdSL][DL-M1][DL-M01][DL-M6][DL-M06][SLM-WB][Master-WB][SG-SLM][DE-ME-ÄdSL][DE-M.Ed.-ÄdSL]

Lehrende: Prof. Dr. Martin Baisch

Veranstaltungsart: Seminar II

Anzeige im Stundenplan: Staunen u. Neugier

Semesterwochenstunden: 2

Credits: 3,0

Unterrichtssprache: Deutsch

Min. | Max. Teilnehmerzahl: - | 25

Weitere Informationen:
Die Angabe der Credits (3,0 bzw. 2,0) bezieht sich auf die Punktzahl der Leistungspunkte, wenn die Veranstaltung im Wahl-/Optionalbereich besucht wird.

Hinweis zur Teilnahme: Studierende, die die erste Seminarsitzung unentschuldigt versäumen, werden am Freitag in der ersten Woche der Vorlesungszeit von der Veranstaltung abgemeldet. Auf diese Weise stehen die frei werdenden Seminarplätze interessierten Studierenden während der zweiten Anmeldephase sicher zur Verfügung.

Kommentare/ Inhalte:
Hervorstechendes Merkmal der ‚Neugier’, wirft man auch nur einen kurzen Blick in die Kulturgeschichte, ist ihre Ambivalenz. Dies hängt nicht nur damit zusammen, dass die ‚Neugier’ in den unterschiedlichsten Diskursen und Disziplinen, seien es Philosophie, Literatur oder Psychologie, verortet werden kann und je unterschiedlich konzeptualisiert worden ist. Der Begriff der ‚Neugierde’ umfasst ein ganzes Spektrum menschlicher Wissensansprüche, Erkenntnisinteressen und Erfahrungsbedürfnisse. Schon in der Antike wird er im Horizont sehr unterschiedlicher Wertbesetzungen ausgelegt und konzeptualisiert. Von zentraler Bedeutung in der Geschichte des Wissens und der Wissenschaften ist die Vorstellung, dass die ‚Neugier’ als Antrieb des Menschen aus den Fesseln theologisch-dogmatischer Beschränkung gilt und mit Begriffen wie ‚Emanzipation’ oder ‚Aufklärung’ in Verbindung gebracht wird. ‚Neugier’ wird als Urphänomen menschlicher Grundverfassung und Katalysator jedes kulturellen Fortschritts mit der modernen wissenschaftlichen Forschung unausgesprochen gleichgesetzt. Als Eckpunkte solcher Perspektivierung der ‚Neugier’ können hier die Namen Augustinus und Blumenberg gelten. Neuere Untersuchungen, aus unterschiedlichen Disziplinen wie der Literaturwissenschaft oder der Wissenschaftsgeschichte, ziehen eine solche, zuweilen auch teleologisch angelegte Konzeption in Zweifel, und dies nicht nur, weil der historische Befund bisher übersehene Gabelungen des Begriffs zutage fördert. Im Seminar wird das Erzählen von Neugier, das Erzählen mit der Neugier im Zentrum stehen: Die höfischen Romane können als ästhetisch-poetische Experimentierfelder verstanden werden, in denen die Reflexion über Neugier und Staunen eine zentrale Stellung einnimmt.

Literatur:
Literatur zur Einführung: Mireille Schnyder: Überlegungen zu einer Poetik des Staunens im Mittelalter. In: wie gebannt. Ästhetische Verfahren der affektiven Bindung von Aufmerksamkeit. Hrsg. von M. B., A. Degen und J. Lüdtke, Freiburg i. Br. 2013 (Rombach Litterae 191), S. 95-113; Martin Baisch: Neugier – Faszination – Ambiguität. Inszenierungsformen und -funktionen im höfischen Roman. In: Staunen als Grenzphänomen. Hrsg. von Nicola Gess, Mireille Schnyder, Hugues Marchal und Johannes Bartuschat, Paderborn 2017 (Poetik und Ästhetik des Staunens Bd. 1), S. 231-246; Maximilian Benz: Elemente einer historischen Poetik des Staunens um 1200. In: Poetiken des Staunens, hrsg. v. Mireille Schnyder u. Nicola Gess, München 2018, S. 171-187; Barbara Vinken: Art. Curiositas/Neugierde. In: Historisches Wörterbuch ästhetischer Grundbegriffe. Hrsg. von Karlheinz Barck u. a., Stuttgart 2000, S. 794-813.